WISSENSFORMEN
Wir erforschen machtkritische Wissensformen aus einer dekolonialen Perspektive.
Unter Wissen wird häufig verstanden, dass Wissen die Wahrheit hinter einem Phänomen auf der Basis gerechtfertigter Erkenntnis beschreibt. Worin solide, gerechtfertigte Erkenntnis tatsächlich besteht, ist eine wichtige Frage der philosophischen Erkenntnistheorie.487
In realistischen Vorstellungen sind Wissen und solide Erkenntnis unabhängig von subjektivem Glauben, Gefühlen oder Mythen, selbst wenn diese eine große persönliche Bedeutung haben. Wissen soll als solide Erkenntnis die Wirklichkeit genau beschreiben.488
Im woken Aktivismus bedeutet Wissen etwas anderes, denn es wurde von postmodernen Vorstellungen beeinflusst. Das postmoderne Wissenskonzept wurzelt auf den Ideen des Philosophen Michel Foucault über Macht: Wissen wird als Instrument der Mächtigen angesehen, das in deren Dienste steht (sogenanntes Machtwissen).489 Das gesellschaftlich anerkannte Wissen gilt als abhängig von kulturellen Werten, Erfahrungen und sozialen Positionen. Wissen ist daher politisch bedingt.490 Das System sei so konstruiert, dass es sich durch bestimmte, dominante Narrative selbst aufrechterhalte.
Durch Foucaults Sichtweise geprägt, problematisieren woke Aktivisten die gesellschaftlichen Wissensbestände: Angeblich enthält Wissen immer das Bewusstsein der Gruppe, die es entwickelt hat (siehe Wahrheit). Aus einer intersektionalen Perspektive ergeben sich daraus multiple Wissensformen: Was in realistischer Sicht als objektive Wahrheit angesehen wird, gilt lediglich als eine „weiße, eurozentrische, männliche Form des Wissens“. Objektive Wahrheit gilt als dominante, Privilegien sichernde Wissensform und somit als problematisch (siehe Standpunkt-Theorie).491 Woke Theoretiker widmen sich intensiv den angeblich unterdrückten Wissensformen. Um marginalisierte Wissensformen zu schützen und wertzuschätzen, soll die Wissenschaft dekolonisiert werden.492
Dabei ignorieren woke Aktivisten ein entscheidendes Merkmal, das tatsächliches Wissen kennzeichnet: Echtes Wissen funktioniert auch in der Realität; nicht nur in der Theorie.
Wissen aus Kritischen Theorien funktioniert in der Realität oft nicht; ist jedoch in der Regel für aktivistische Zwecke nützlich. Was woke Aktivisten jedoch oft ignorieren: Die Ablehnung nicht brauchbarer Wissensformen stellt keine ungerechte Marginalisierung dar, sondern ist elementar für eine funktionierende Gesellschaft.