DE­KONSTRUKTION

Rassistische Diskurse über Staatzugehörigkeit müssen dekonstruiert werden.

Aus woker Sicht soll durch die richtigen Diskurse Unterdrückung überwunden werden. Angeblich dominante Diskurse sollen analysiert werden, um verborgene Machtdynamiken aufzudecken.102 Dabei ist eine wichtige Methode die sogenannte Dekonstruktion.

Die dekonstruktive linguistische Theorie wurde maßgeblich vom postmodernen Philosophen Jacques Derrida geprägt. Gemäß Derrida kann Sprache nie eindeutig sein, denn es sei unmöglich, Worten eine eindeutige Bedeutung zuzuordnen.103

Aus der Sichtweise des linguistischen Dekonstruktivismus wird bezweifelt, dass man mit Worten überhaupt stabile Bedeutung vermitteln kann; insbesondere Kategorien werden radikal infrage gestellt. In Derridas postmoderner Sichtweise bilden Diskurse über Wirklichkeit einen sogenannten „Logozentrismus“, der mit dekonstruktiven Methoden überwunden werden soll.104 Kriterien wie „Wahrheit“, „Vernunft“ und „Logik“ bestimmen angeblich logozentrisches Denken, welches vom angeblich „Normalen“ ausgeht und Regeln erstellt, mit deren Hilfe das „Anormale“ ausgegrenzt werden kann.105

Derridas dekonstruktive Methode will zeigen, dass es keine Behauptungen, Ideen, Konzepte, Werte, Interpretationen oder Philosophien gibt, die tatsächlich objektiv und allgemein wahr sind.106 Mithilfe Derridas Methode der Dekonstruktion sollen etablierte Sinnverständnisse infrage gestellt werden, da Worten mit gleicher Berechtigung angeblich auch andere Bedeutungen zugeschrieben werden können (siehe Sozialer Konstruktivismus).

Auf Derridas postmoderner Linguistik baut die woke Praxis der Dekonstruktion auf, mit der eine woke Diskurshoheit gesichert werden soll. Wenn woke Aktivisten etwas als „Konstrukt“ dekonstruieren wollen, versuchen sie, die bisherigen Bedeutungen zu schwächen, um Raum für ihre beabsichtigten Bedeutungen zu schaffen. Dies kann auf multiple Weise geschehen.

  1. Neudefinition: Grenzen verwischen, die ein Konzept definieren oder die Bedeutung des Konzepts umkehren. Die bisherigen Definitionen beschreiben nicht, wie die Welt tatsächlich ist. Sie sind nur die (problematischen) Definitionen privilegierter Menschen mit falschem Bewusstsein. Beispielsweise wird das biologische Geschlecht durch Genderideologie komplett neudefiniert.
  2. Objektivität problematisieren: Angeblich sind alle Wahrheitsansprüche in Wirklichkeit nur Machtansprüche. Woke Aktivisten dagegen haben selbst keine Machtansprüche; sie wollen lediglich existierende Machtstrukturen herausfordern (meist als Stimme der Marginalisierten).
  3. Neue Auslegung: Dinge werden neu interpretiert. Damit soll belegt werden, dass die bisherigen Interpretationen problematisch, lückenhaft oder beliebig waren (häufig verbunden mit 1).
  4. Betonung negativer Auswirkungen: Wahrheit spielt angeblich keine Rolle, entscheidend sind die vermeintlichen Auswirkungen. Wenn Aussagen möglicherweise negative Auswirkungen haben könnten, ist es nicht wichtig, ob sie stimmen. Angeblich gefährliche Aussagen müssen geleugnet werden (siehe kritischer Sozialer Konstruktivismus und Desinformation).
  5. Falscher Kontext: Thesen aus ihrem Kontext reißen, um sie auf die denkbar schlimmste Weise zu interpretieren (häufig verbunden mit 3).
  6. Kontaktschuld: Völlig vernünftige Thesen werden als problematisch dargestellt, indem Verbindungen mit Dingen behauptet werden, die als problematisch gelten (häufig verbunden mit 4 und 5).

Woke Dekonstruktion findet man insbesondere in der Queer -Theorie. Queere Theoretiker gehen davon aus, dass Geschlechterrollen lediglich sozial konstruiert sind.107 Mit dekonstruktiven Methoden wollen sie die Bedeutung des biologischen Geschlechts als vermeintliche Cis-Normativität problematisieren. Doch dekonstruktiver Aktivismus ist nicht auf queere Gendertheorien beschränkt, sondern in vielen akademischen Disziplinen vorhanden (siehe Kritische-Theorie).

Eine wissenschaftliche Einführung bietet die Dissertation „Social-Justice-Leftism as Deconstructive Post-modernism“.108