POSTKOLONIALISMUS
Kritische Historiker untersuchen postkoloniale Diskurse über Gender.
Postkolonialismus ist eine neulinke Theorie über westliche Gesellschaften, welche von der Permanenz kolonialer Machtstrukturen ausgeht:
„Die Postkoloniale Theorie (eng. Postcolonial studies) verfolgt den Ansatz, die Konstruktion kultureller Unterschiede und deren Übertragung auf gesellschaftliche Machtverhältnisse kritisch zu reflektieren und zu hinterfragen. Ihr Gegenstand ist die Geschichte des Kolonialismus und damit einhergehende Hierarchisierungen und stereotype Denkmuster, die bis heute fortwirken… Postkoloniale Ansätze untersuchen und dekonstruieren diese strukturelle Hierarchisierung sowie darauf bezogene Praktiken und machen sichtbar, wie anhand dieser Vorstellungen das Bild und die Wahrnehmungen von „den anderen“ (Othering) geprägt wurde und immer noch wird.“ 333
Eine zentrale Aufgabe des Postkolonialismus ist es, Fortschreibungen kolonialer Machtverhältnisse und Denkmuster zu untersuchen. Als Ziel soll ein nichtwestlicher Zugang zu Geschichte, Wissenschaft und Kultur entwickelt werden.
Grundlage postkolonialer Ansätze ist die Annahme, dass die ehemaligen Kolonien nur politisch befreit wurden.334 Angeblich sind eurozentrische Sichtweisen weiterhin dominant.335
Aus postkolonialer Sicht hat mit dem Prozess der Kolonialisierung ein gewaltförmiger Kulturkontakt stattgefunden: Die westliche Kultur eroberte, veränderte und zerstörte die kolonisierten Kulturen. Veränderungen seien nicht nur durch militärische Gewalt, sondern insbesondere durch koloniale Denkweisen und Diskurse erfolgt. Folglich seien authentische Wissensformen von der westlichen Dominanzkultur kontaminiert oder zerstört worden (siehe epistemische-Gewalt). Postkoloniale Theorie stellt eine Kritische-Theorie über die Wissenssysteme der westlichen Kultur dar, die angeblich von kolonialer Kontinuität geprägt sind.336
Postkoloniale Kritiker bemühen sich darum, Kolonialismus als Wissenssystem zu enttarnen. Hierbei unterscheiden sich postkoloniale und dekoloniale Ansätze: In dekolonialen Ansätzen wird versucht, angeblich marginalisiertes Wissen von westlichem Einfluss zu befreien (siehe Dekolonisierung).337 In postkolonialen Ansätzen wird mehr auf eine intrinsische Verwobenheit und Kontinuität kolonialer Einflüsse Bezug genommen, wobei es große Überschneidungen mit dekolonialen Sichtweisen gibt. Postkoloniale Theorie bildet eine Rechtfertigung für den Versuch der Dekolonisierung.
Ein wesentlicher Fokus des postkolonialen Aktivismus ist die Kritik am jüdischen Staat Israel. Der Sozialwissenschaftler Ingo Elbe weist nach, wie einseitig Israel in die Rolle eines weißen Kolonialstaats gezwängt werden soll. Der Konflikt mit den Arabern wird nur Israel angelastet, wobei der arabische Antisemitismus und Terror ignoriert werden. Zudem wird die gesamte Geschichtsschreibung in den Dienst eines antirassistischen Revisionismus gestellt, womit unter anderem die Bedeutung des Antisemitismus als Ursache für den Holocaust relativiert wird.338