KRITISCHE PÄDAGOGIK

Die Kritische Pädagogik widmet sich der Bildung aus emanzipatorischem Interesse.

Kritische Pädagogik ist eine Kritische-Theorie über Bildung und Erziehung. Kritische Pädagogik beinhaltet mehrere Aspekte gleichzeitig, einerseits die theoretische Entwicklung von kritischen Bildungstheorien, andererseits deren praktische Anwendung. Das Ziel ist die Transformation von Bildung auf allen Ebenen, um kritisches Bewusstsein zu vermitteln.246 Kritische Bildungstheorien untersuchen insbesondere, wie Machtstrukturen beeinflussen, auf welche Weise Wissensformen anerkannt werden.

Die Kritische Pädagogik entstammt der marxistischen Pädagogik von Paolo Freire. Freires Pädagogik wurde populär durch sein Werk „Pädagogik der Unterdrückten“ aus 1968. Paulo Freires Schriften sind heute mit die am häufigsten zitierte Werke der Sozialwissenschaften.247 Durch seine sogenannten „Befreiungspädagogiken“ entwickelte Freire eine neu-linke Konflikttheorie über das Bildungssystem: Diejenigen, die als gebildet gelten, besitzen ähnliche Privilegien wie bourgeoise Privateigentum-Besitzer im klassischen Marxismus. Diejenigen, die als ungebildet oder unwissend gelten, bilden eine Art Proletariat. Mithilfe von Freires Methodik sollen sich die Ungebildeten ihrer systemischen Unterdrückung bewusstwerden (siehe Konflikt). Für Freire beschreibt wahre Bildung einen Prozess zur Erlangung von marxistischer Kompetenz. Etablierte Bildungssysteme sind für ihn Reproduktionsmechanismen der ungerechten kapitalistischen Ordnung. Für die Reproduktion der ungerechten Ordnung benutzt er ein Bankkonto-Modell als Metapher.248 Um diese ungerechte Ordnung zu durchbrechen, bekommen Schüler emotional provokante Inhalte präsentiert, um die richtigen politischen Einstellungen gegen Unterdrückung zu entwickeln. Durch den problemformulierenden Dialog zwischen Schüler und Pädagogen werden sogenannte „generative Themen“ aus der Lebenswelt der Schüler aus marxistischer Perspektive problematisiert: Die Schüler sollen marxistische Lösungen finden und auf ihr eigenes Leben anzuwenden, um das unterdrückerische System zu überwinden.249

Von Freire Befreiungspädagogik inspiriert prägte der Pädagoge Henry Giroux den Begriff „Kritische Pädagogik“, indem er dessen marxistische Bildungstheorie durch Identitätspolitik weiterentwickelte.250 Durch Kritische Pädagogik hat sich identitätspolitischer Aktivismus in den letzten Jahrzehnten massiv im gesamten US-amerikanischen Bildungsbereich ausgebreitet. An US-amerikanischen Universitäten wurde inzwischen mindestens eine Generation an Lehramtsstudenten in Kritischer Pädagogik ausgebildet.251 Dies prägt mittlerweile auch den pädagogischen Alltag: Mit Kritischer Pädagogik soll den Schülern Unbehagen über ihre vermeintlichen Privilegien vermittelt werden.252 Angeblich sei Unbehagen notwendig, um den intrinsischen Widerstand der Schüler gegenüber Kritischen-Theorien zu brechen.253 Der Lehrplan soll dekolonisiert werden und Schüler sollen zu Aktivisten ausgebildet werden.

Das zentrale Ziel der Kritischen Bildung ist die Verwirklichung von Sozialer Gerechtigkeit. Dazu sollen die Bildungssysteme so lange transformiert werden, bis es keine Diskrepanzen mehr zulasten marginalisierter Gruppen gibt mit dem Ziel der Ergebnisgleichheit (auf Englisch Equity). Folglich werden die Standards zugunsten leistungsschwacher Schüler aufgeweicht (siehe Inklusion).254 Schüler, die als marginalisiert gelten, sollen bevorzugt werden und mehr Hilfe erhalten, während denen, die als privilegiert gelten, weniger Aufmerksamkeit zukommen soll. Kritische Pädagogik wird in den USA auch unter den Chiffren „Soziales-emotionales-Lernen“ („Social-Emotional-Learning“) sowie „Kulturell-relevantes-Lehren“ („Culturally-Relevant-Teaching“) betrieben.255

Als Reaktion auf den neulinken Aktivismus im Bildungssystem hat die Anzahl von Schülern außerhalb des staatlichen Schulsystems in den letzten Jahren stark zugenommen.256