AKTIVISMUS
Solidarischer Aktivismus für soziale Gerechtigkeit ist verpflichtend.
Objektive Wissenschaft und Aktivismus basieren auf unterschiedlichen Zielen. Objektive Wissenschaft belohnt Wissenschaftler, die bislang gültige Vorstellungen mit guten Belegen widerlegen. In einer objektiven Wissenschaft wird derjenige belohnt, der Fehler oder Lücken in der bisherigen Forschung identifiziert und dadurch den Status-Quo in Frage stellt. In der Theorie des Kritischen Rationalismus spricht man von vorläufig wahren Theorien, deren Validität immer wieder mittels Falsifikation überprüft werden muss.11
In aktivistischen Bereich herrscht ein anderes Ziel: Aktivisten kämpfen häufig für ein moralisch begründetes Ziel. Dieses Ziel beinhaltet in der Regel festgelegte Wege und Annahmen, die nicht in Frage gestellt werden sollen. Aktivisten vertreten dazu auch vehement Thesen, die sich entweder aufgrund der komplexen Realität eindeutiger wissenschaftlichen Falsifikation entziehen oder bereits falsifiziert wurden. Meist fehlt ihnen ausreichendes Verständnis für mögliche negative Auswirkungen, denn der eigene Weg wird gerne als einzige Lösung dargestellt; alternative Sichtweisen gelten oft als gefährlich. Andersdenkende werden nicht inhaltlich widerlegt, sondern als unmoralisch attackiert (z.B. als Rassisten, Verschwörungstheoretiker, Populisten oder Lobbyisten). Sobald der Aktivismus einflussreich wird, werden offene Debatten behindert und Falsifikation wird erschwert. Durch ein moralistisches Schwarz-Weiß-Denken legitimieren sich autoritäre Einstellungen.12
Daher stellt sich die Frage daher, wie man Aktivismus von seriöser Wissenschaft unterscheiden kann. Werte wie Unabhängigkeit, Seriosität, Objektivität, Validität und Unvoreingenommenheit werden auch von Aktivisten in Anspruch genommen. Das Bild des Aktivisten als lautschreiender Student ist trügerisch. Tatsächlich gibt es kein System von objektiver Wissenschaft, das nicht zu einem gewissen Teil von Aktivismus korrumpiert ist, denn jede Form der Forschung ist mit aktivistischer Einflussnahme konfrontiert. Teilweise ist der Hang zu Aktivismus psychologisch begründet, die man lieber eigene Vorstellungen bestätigt sieht, als diese zu widerlegen.13
Wie stark die aktivistische Versuchung ist, hängt auch davon ab, wie politisch relevant das Forschungsfeld ist. Aktivismus kann darüber hinaus als moralisches Sinnangebot oder als Karrierechance attraktiv sein.
Leider sind ganze akademische Bereiche, insbesondere in den Gesellschaftswissenschaften, kaum vom politisch motivierten Aktivismus zu trennen.14 Das Wirken der Neuen-Linken war in vielen akademischen Bereichen folgenreich (siehe Kritische-Theorie).15
Einige Indizien können helfen, um seriöse Wissenschaft von aktivistischer Pseudowissenschaft zu unterscheiden. Ein Indiz ist, dass Aktivisten ihre Kritiker auf einer unsachlichen Ebene attackieren, um mit unsachlichen Methoden einen Konsens etablieren, der keine Falsifikation duldet. Häufig vertreten Aktivisten Thesen, die aufgrund axiomatischer Grundlagen nicht hinterfragt werden sollen.
Besonders gefährlich ist Aktivismus, wenn elementare Bereiche der Gesellschaft transformiert werden sollen, ohne dass die geplanten Veränderungen bereits ihre Funktionsfähigkeit bewiesen haben (siehe Utopie und Aushandlungen).