LEISTUNG

Die Leistungen marginalisierter Gruppen müssen wertgeschätzt werden.

Für woke Aktivisten ist Leistung eine gefährliche Illusion, mit der gesellschaftliche Ungleichheiten legitimiert und marktliberale („neoliberale“) Einstellungen begründet werden.272 Durch einen Fokus auf Leistung können die Erfolge bestimmter Personen in der Gesellschaft zumindest teilweise als verdient erscheinen. Der Fokus auf Leistungsgerechtigkeit macht es schwieriger, Ungleichheiten als Beweis für systemische Ungerechtigkeit zu interpretieren und (mehr) Umverteilung für (mehr) Chancengerechtigkeit zu fordern. Häufig wird dabei von woken Aktivisten das Konzept der Leistungsgerechtigkeit falsch dargestellt. In Wirklichkeit behauptet fast niemand, dass eine meritokratische Gesellschaft bereits verwirklicht ist. Im Gegenteil, eine meritokratische Gesellschaft soll ein Ideal sein, an dem sich eine reale Gesellschaft messen lassen sollte.

Aus woker Sicht verschleiern leistungsbetonte Narrative, wie sehr Privilegien zum Erfolg beitragen: Strukturell bedingte Probleme würden vorsätzlich als Teil der Eigenverantwortung angesehen, um die Machtstrukturen des Systems zu erhalten.273 Woke Forderungen nach Gerechtigkeit, Quoten und Gleichstellung sind prinzipiell unvereinbar mit einer Betonung von Leistung.

Woke Aktivisten vertreten eine verschwörungstheoretische Sicht auf Erfolg. In der woken Vorstellung spielen Leistung und Kompetenz als Erklärungen kaum eine Rolle. Einerseits wird behauptet, dass Erfolg nie wirklich verdient ist, sondern vor allem das Ergebnis von Privilegien ist, die nicht ausreichend durch Umverteilung kompensiert werden. Andererseits wird behauptet, dass alle Probleme marginalisierter Personen nichts mit deren Fähigkeiten, Interessen oder Entscheidungen zu tun haben. Alle positiven und negativen Szenarien sind angeblich Belege dafür, wie das System bestimmte Gruppen zulasten marginalisierter Gruppen bevorteilt (siehe Weißsein).274

Obwohl das Ideal der Leistungsgerechtigkeit von der Mehrheit der Gesellschaft sehr geschätzt wird, werden widersprüchliche Ziele wie Diversität und Teilhabe angestrebt: Woke Experten wollen die Gesellschaft so lange regulieren, bis Ergebnisgleichheit durch Gleichstellung erreicht ist (siehe Gerechtigkeit). Ergo wird Leistung als Bewertungsprinzip in der Regel vernachlässigt. Wenn es jedoch dem eigenen Aktivismus dient, wird Leistung durchaus betont: Die von fehlerhaften Statistiken ausgehende Behauptung, dass demographisch diverse Gruppen per se erfolgreicher als demographisch nichtdiverse Gruppen sind, kann als eine der weitverbreitetsten Lügen der jüngsten Zeit angesehen werden.275