IDENTITÄT
Andreas identifiziert sich als nonbinäre Person ohne Pronomen.
In liberalen Vorstellungen, bei denen Menschen primär als Individuen betrachtet werden und nicht als Repräsentanten von Kollektiven, basiert die eigene Identität vor allem auf individuellen Vorlieben, Beziehungen und Zielen. Persönliche Identität wird individuell entwickelt, aber auch in Beziehung zu sogenannten Peer-Gruppen.197
In woker Sichtweise zählt als Identität nicht die individuelle Identität, sondern die „soziale Identität“ als Gruppenidentität. Soziale Identität bedeutet Identität als Teil eines sozialen Kollektivs (siehe Community).198 Statt individuellem Charakter sind sogenannte Differenzlinien relevant (insbesondere Ethnie, Geschlecht, Sexualität, Behinderungsstatus, Herkunft, Religion). Aus ihnen ergibt sich eine sogenannte „Positionalität“ gegenüber Machtstrukturen (siehe Intersektionalität).199
Einerseits gehen woke Aktivisten davon aus, dass es keine inhärenten Unterschiede zwischen Gruppen gibt. Identitäten gelten als vollständig sozial bedingt; mögliche inhärente Unterschiede zwischen Gruppen werden als biologistisches Denken zurückgewiesen. Andererseits verfügen aufgrund der Struktur der Dominanzgesellschaft bestimmte Gruppen über mehr Zugang zu Privilegien (siehe Konflikt).
Woke Identität dient der Identitätspolitik: Identität ist vor allem auf die Art relevant, wie sie für woken Aktivismus genutzt werden kann.200 Zum Beispiel werden nur Personen als BIPOCs akzeptiert, die für antirassistischen Aktivismus nützlich sind. Wer eine marginalisierte Identität „verrät“, indem er z.B. die falschen Diskurse unterstützt, gilt als unauthentisch (siehe Community).201 Auch persönliche Erfahrungen gelten nur dann als authentisch, wenn sie mit der woken Sicht übereinstimmen.202
Identität soll durch die Brille der Intersektionalität betrachtet werden: Eine übergewichtige, weiße Frau soll daher eine hybride Identität (als Opfer und Profiteur) entwickeln. Einerseits ist sie zwar privilegiert wegen ihrer Hautfarbe und ihrer Cis-Identität, andererseits ist sie als übergewichtige Frau von körperlicher Diskriminierung und Sexismus betroffen.
Der Bereich der persönlichen Identität soll politisch bestimmt sein. Aus woker Sicht entsteht Identität vor allem durch die Auseinandersetzung mit Machtstrukturen. Eine positive Bezugnahme auf nicht-marginalisierte Identitäten, z.B. auf eine männliche Identität, ist tabu (siehe Allyship).