NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeit erfordert gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse.

Nachhaltigkeit ist im Jahr 2025 einer der populärsten politischen Begriffe. Nur wenige Personen definieren Nachhaltigkeit, wenn sie über den Trend zu Nachhaltigkeit sprechen. Häufig geschieht dies als Angewohnheit, bei der Nachhaltigkeit als Synonym für Umweltschutz oder Zuverlässigkeit verwendet wird. Hinter dieser oberflächlichen Bedeutung von Nachhaltigkeit kann jedoch auch eine bestimmte politische Vision stecken.

Diese politische Vision von Nachhaltigkeit wurde in den 1980er Jahren durch den sogenannten Brundtland-Bericht maßgeblich geprägt.292 Der Brundtland-Bericht über nachhaltige Entwicklung mit dem Titel ‚Unsere gemeinsame Zukunft‘ wurde 1987 von der UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung veröffentlicht. Fünf Jahre später fand 1992 die Rio-Konferenz der Vereinten Nationen statt, auf der die sogenannte „Agenda-2021“ beschlossen wurde, welche die Empfehlungen des Berichts über nachhaltige Entwicklung weltweit umsetzen sollte.

In der Brundtland-Definition ist Nachhaltigkeit eine dauerhafte Entwicklung, um „die gegenwärtigen Bedürfnisse zu befriedigen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Diese Entwicklung erfordert „einen Wandlungsprozess, in dem die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das derzeitige und künftige Potential vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.“

Die etwas zirkuläre Definition von Nachhaltigkeit als Beschreibung einer gesicherten Zukunft und gesicherter Bedürfnisse erscheint vernünftig. Aus einer vermeintlich konservativen Sicht wird nachhaltige Entwicklung als risikobewusste Entwicklung mit Bezug auf die künftigen Generationen dargestellt. Mit dieser vermeintlich vernünftigen Definition wird eine Motte-und-Bailey-Täuschung durchgeführt.293 Tatsächlich fordert der zweite Teil der Definition eine globale Transformation; d.h. eine globale politische Agenda: Für nachhaltige Entwicklung sollen „die Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer Entwicklung und die Institutionen“ einem Prozess des Wandels unterzogen werden, damit diese „miteinander harmonieren“. Diese „Harmonisierung“ kann man als UN-Plan zur Steuerung aller Ressourcen, aller Investitionen, aller Institutionen und aller Technologien verstehen.

Gemäß dem Bericht soll sowohl die extreme Armut in Entwicklungsländern überwunden werden als auch der Wohlstand in den Industrieländern in Einklang mit Natur und Umwelt gebracht werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die Konsum- und Lebensweisen der westlichen Industrieländer nicht auf die gesamte Weltbevölkerung (von 1987) übertragen lassen, die ja auch noch weiterhin zunehmen werde. Der Bericht warnt, dass die Wirtschaft die legitimen Wünsche der Menschen befriedigen müsse, ohne durch kapitalistisches Wirtschaftswachstum die sogenannten „ökologischen Grenzen der Erde“ zu sprengen und dabei die angeblich fragilen Lebensgrundlagen zu gefährden.294 Die meisten Menschen sollen ihre Lebensweise ändern, um zu verhindern, dass es zu katastrophalen planetaren Umweltschäden kommt. Dabei sollen sie auf die Empfehlungen der UN-Kommission vertrauen (siehe Experten).295 Die geforderte Transformation für mehr Nachhaltigkeit soll auf ein weltweit in etwa gleich armes, ressourcenschonendes Leben hinauslaufen, bei dem grundlegende Bedürfnisse befriedigt sind. Für dieses ressourcenschonende, nachhaltige Leben brauche es neue Formen des Wirtschaftens, um einen ökologisch problematischen Ressourcenverbrauch zu verhindern.

Diese transformative UN-Definition von Nachhaltigkeit steht in direkter Verbindung zur ökologischen Kritik am Kapitalismus (siehe Klimagerechtigkeit).

Zwar gibt es in der ursprünglichen marxistischen Lehre noch keine Kritik an einer wirtschaftlichen Umweltzerstörung oder an einem zu hohen Ressourcenverbrauch. Jedoch entstand im 20. Jahrhundert eine neulinke ökologisch-marxistische Konflikt -Theorie über Umwelt und Marktwirtschaft. Es wurde argumentiert, dass eine wachsende kapitalistische Wirtschaft zunehmend mehr natürlicher Ressourcen bedarf. Deshalb führe langfristiges Wachstum zwangsläufig zu fortschreitendem Ressourcenverbrauch samt Umweltzerstörung, da die tatsächlich entstehenden Kosten zulasten der Umwelt externalisiert würden.296 Für einen ökologischen Sozialismus solle daher der Gesellschaft, die von den negativen Umwelteinflüssen betroffen ist, Mitspracherechte an den Produktionsmitteln eingeräumt werden.

Ökologie, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind mittlerweile zum festen Bestandteil des politischen Mainstreams geworden. Insbesondere in reichen Ländern genießt Umweltschutz große politische Unterstützung. Eine hohe Luft- und Wasserqualität wurde dort aber vor allem durch technische Lösungen erzielt.

Öko-sozialistische Aktivisten ignorieren die Fortschritte durch kapitalistisch bedingte Technologieentwicklungen und fordern restriktivere Maßnahmen: Zum Schutz des Klimas sollen in möglichst naher Zukunft alle CO2-Emissionen unterbunden werden, ansonsten drohe eine Klimakatastrophe. Technische Innovationen und Anpassungen gelten als unzureichend.297 Vielen Öko-Aktivisten geht es nicht primär um Umweltauswirkungen, sondern um politische Kontrolle. Deshalb wird von ihnen neben fossilen Energien auch die Kernkraft abgelehnt, obwohl die Kernkraft einen CO2-armen Energiewohlstand ermöglicht. Stattdessen sollen vor allem Wind- und Solarkraft für die Energieversorgung ausreichen.298 Das politisch vorgegebene Ziel „Net-Zero“ soll eine sogenannte „klimaneutrale Wirtschaftsweise“ propagieren und durch den europäischen „Green Deal“ bis zum Jahr 2050 erreicht werden.299 Mit „klimaneutralen“ Strategien wird jedoch die heutige globale Energiearmut nicht bekämpft; sondern durch eine Verknappung von fossilen Energien sogar noch verschärft. Weltweit lag der Anteil von fossilen Energien an der Gesamtenergie im Jahr 2023 bei ca. 80 Prozent.300 Vieles, was von Politikern als Nachhaltigkeit verkauft wird, ist gemäß dem ersten Teil der Brundtland-Definition nicht nachhaltig, weil es nicht dazu beiträgt, die grundlegenden Bedürfnisse heutiger (oder zukünftiger) Generationen zu befriedigen. Im Gegenteil, mit der beabsichtigten Verknappung von Energie wird eine stabile, gesicherte Zukunft gefährdet: Ohne günstige und ständig verfügbare Energie kann es kein Wirtschaftswachstum geben, dass dringend notwendig ist, um notwendige Bedürfnisse zu sichern.301 Nur mit viel malthusischen Zynismus kann man es akzeptabel finden, dass man Milliarden Menschen in extremer Armut durch eine kausale Verdrehung hält.302

Oft liegt bei Nachhaltigkeit der tatsächliche Fokus nicht auf den tatsächlichen menschlichen Bedürfnissen, sondern auf der Kontrolle über die Nachfrage (dem „ökologischen Ressourcensparen“). Durch angeblich ökologisch bedingte Knappheiten sollen neue Formen der „ökologisch-sozialen“ Wirtschaft begründet werden (siehe Wohlbefinden und Utopie). Derartige Forderungen nach einem Systemwandel finden sich auch beim Hot-or-Cool-Institute, das Entscheidungsträgern wissenschaftliche Grundlagen für eine nachhaltige Zukunft an die Hand geben will. Dort heißt es zu den notwendigen Veränderungen angesichts der „Nachhaltigkeitsherausforderung“:

„Verhaltensänderungen sind zwar auf allen Ebenen wichtig, doch es ist von entscheidender Bedeutung, die Normen, Gesetze, Versorgungssysteme und Infrastrukturen zu ändern, die das Handeln des Einzelnen bestimmen. Ein nachhaltiger Wandel ist sowohl ein individueller als auch ein systemischer Wandel.“ 303