NEUE LINKE
Die Neue Linke setzt sich mit Identität aus einer kritischen Perspektive auseinander.
Neue Linke sind Anhänger des Neomarxismus. Der Neomarxismus ist eine politische Denkrichtung aus dem 20. Jahrhundert, die den klassischen Marxismus infrage stellte und gleichzeitig revolutionäre kommunistische Vorstellungen beibehielt. Historisch war der Neomarxismus stark mit dem Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt verbunden, wo die Entwicklung der Kritischen-Theorie als „Frankfurter Schule“ begann.313
Zu den bekanntesten Vertretern der Neuen Linken gehören Antonio Gramsci, Max Horkheimer, Theodor Adorno, Herbert Marcuse und Angela Davis. Zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen Marxismus und Neomarxismus war die Ablehnung des zwangsläufigem Geschichtsverlauf des historischen Materialismus. Neomarxistische Theoretiker beschäftigten sich mit der gescheiterten Vorhersage von Marx, gemäß der sich kapitalistische Gesellschaften zwangsläufig zu sozialistischen Gesellschaften entwickeln würden.314 Daraus folgerten sie, dass westliche, kapitalistische Gesellschaften kommunistische Revolutionen mittels einer kulturell bedingten Machtausübung verhindern: Während aus der Sicht des klassischen Marxismus die Arbeiterklasse noch durch ökonomische Bedingungen unterdrückt wurde, waren es für Neomarxisten vor allem systemerhaltende kulturelle Werte (siehe Sozialisation). Sowohl die Arbeiterklasse als auch die Mittelschicht seien durch kulturell vermittelte Werte pazifiziert worden und sich ihrer eigenen Unterdrückung nicht mehr ausreichend bewusst.315
Neomarxistische Intellektuelle entwickelten hierzu das Konzept des falschen-Bewusstseins, um das beobachtete systemkonforme Verhalten zu erklären: Breite Teile der Bevölkerung würden aufgrund von bourgeoisen Werten gegen ihre eigenen Interessen handeln.316
Der neulinke Marxist Antonio Gramsci betrachtete hierbei Religion, Familie, Bildung, Medien und Recht als die wichtigsten gesellschaftlichen Pfeiler, durch die eine bourgeoise kulturelle Hegemonie verankert sei. Nur nach deren kommunistischen Transformation seien kommunistische Revolutionen langfristig erfolgsversprechend.317 Um die Macht kapitalistischer Hegemoniesysteme zu brechen, sollen diese Institutionen von Aktivisten heimlich infiltriert werden, um schrittweise eine neue Hegemonie zu etablieren.
Die neomarxistischen/neulinken Ideologien waren sehr erfolgreich: Im Zuge der 68-er-Bewegungen breiteten sich neulinke Aktivisten in Universitäten aus, wo sie eine sogenannte „Strategie des langen Marsches“ anwandten. Kritische-Theorien wurden gegen Ende des 20. Jahrhundert in Sozialwissenschaften dominant und später auch in anderen akademischen Bereichen.318 Durch diesen bereits in den 1970ern gewonnenen intellektuellen Einfluss der Neuen Linken wurde neomarxistische Theorie sehr einflussreich (siehe Kritische-Theorie und Konflikt).